Guter Käse braucht Zeit. Und jemanden, der ihm diese auch gibt. Thomas Breckle, der Chef von Jamei Laibspeis‘, ist so jemand. Seit 15 Jahren lässt er zusammen mit Geschäftspartner Martin Rösle Käse in einem alten Eiskeller im Allgäu reifen. Der kleine Handwerksbetrieb folgt einem einfachen Grundsatz: Der Käse ist dann fertig, wenn er eben fertig ist – und keinen Tag früher. Das kann dann schon mal drei oder mehr Jahre dauern. Aber dafür spielt der Käse aus dem 200 Jahre alten Eiskeller auch in einer eigenen Liga – davon durfte ich mich im Dezember bei einem Besuch in Kempten nochmal selbst überzeugen.

Auf Jamei Laibspeis’ bin ich schon vor Längerem aufmerksam geworden. Denn alle zwei Wochen stehen Thomas, Martin und ihr Team auf dem Hamburger Isemarkt in einer alten, knallroten Liftgondel und verkaufen dort ihren Käse. Als ich dort zum ersten Mal ein Stück „Mängisch“ – einen mindestens 30 Monate gereiften Bergkäse – gekauft habe, musste ich am nächsten Tag direkt nochmal zum Markt in Flottbek radeln und Nachschub besorgen. So gut ist dieses Zeug. Nachdem mich der letzte Heimatbesuch im Sommer an und auf den Bodensee geführt hat, ging es nun kurz vor Weihnachten nach Kempten im Allgäu, um dort Thomas zu besuchen und einen Einblick in seine Arbeit zu bekommen.

Vom Langläufer zum Käse-Affineur

Bevor Thomas zum Käse gefunden hat, war er Ski-Langläufer in der deutschen Nationalmannschaft. Aber wenn man es genau nimmt, hatte er auch damals schon ein Faible für Käse. Überall, wo er unterwegs war – bei Wettkämpfen, im Trainingslager – hat er die lokalen Käsespezialitäten probiert und nach Hause mitgebracht. Aber so richtig zufrieden war er mit den Käsen nie, sie waren zu teigig, nicht wirklich ausgereift. So keimte nach und nach die Idee, nach der Sportlerkarriere „irgendwas mit Käse” zu machen.

„Das Schwierige ist es, den Käse für sich sprechen zu lassen. Aber das ist gleichzeitig auch das Schöne an meinem Beruf!“

Seit über 20 Jahren beschäftigt sich Thomas nun schon mit dem Thema Käse, seit gut 15 Jahren auch hauptberuflich – als Hartkäse-Affineur. Damit ist er in Deutschland allein auf weiter Flur. Das Handwerk des Käseveredelns hat er sich größtenteils selbst beigebracht, mit Ausnahme einiger Abstecher zu Kollegen in die Schweiz, wo er auch viel Grundlegendes gelernt hat. Anfangs gab es natürlich auch Fehlschläge, aber letztendlich hat Thomas zu seinem ganz eigenen Käsestil gefunden. „Das Schwierige ist es, den Käse für sich sprechen zu lassen. Aber das ist gleichzeitig auch das Schöne an meinem Beruf!“, sagt er. Und nach diesem Credo arbeitet er auch bis heute.

Das Herzstück: Der perfekte Keller

Der Käse von Thomas Breckle braucht vor allem eines: Zeit. Aber auch die Lagerbedingungen spielen eine wesentliche Rolle. Also machen wir uns kurzerhand auf den Weg, vom Ladengeschäft in der Kemptner Innenstadt zum einige Minuten Fahrt entfernten Herzstück von Jamei. Wir biegen in eine kleine Seitenstraße ab und halten vor einem unscheinbaren Metalltor in einer Betonmauer. Dahinter verbirgt sich der über 200 Jahre alte Keller, in dem die Käse von Jamei teilweise jahrelang liegen und reifen. Früher wurde der Keller vom Allgäuer Brauhaus als Eiskeller genutzt, heute liegen hier hunderte Käseräder unter 10 Metern Erde und 18 Schichten Klinker.

„Der Keller ist ein absoluter Glücksfall für uns, hier herrschen die perfekten Bedingungen für unseren Käse.“

„Sowas kannst du heute gar nicht mehr bauen“, meint Thomas. „Der Keller ist ein absoluter Glücksfall für uns, hier herrschen die perfekten Bedingungen für unseren Käse“. Und mit diesen perfekten Bedingungen meint Thomas vor allem eins: Beständigkeit. Denn Käse mag es dunkel und gleichbleibend. Egal ob Winter oder Sommer, im Keller herrschen ganzjährig Temperaturen um die 10 Grad, ohne jede Art von Heizung oder Kühlung. Das schont natürlich die Energiebilanz. Dazu kommt noch die perfekte Luftfeuchtigkeit. Thomas erzählt, dass der Keller sogar „atmet“. Morgens beugt sich die Flamme einer am Eingang aufgestellten Kerze leicht in den Raum, mittags ist sie gerade und gegen Abend beugt sich die Flamme leicht Richtung Ausgang.

Die Beleuchtung im Keller wird eigentlich nur eingeschaltet, wenn die Käse geschmiert und gewendet werden. Dazu verwenden Thomas und seine Kollegen einen eigenen Sud, der unter anderem Luisenhaller Salz und Wein enthält. Dass die genaue Rezeptur Betriebsgeheimnis ist, versteht sich natürlich von selbst. Mindestens 17 bis 20 Monaten brauchen die Käse von Jamei bis zur wirklichen Reifephase und erst dann bilden sich Kristalle im Käse, die wunderbar zwischen den Zähnen knirschen. „Erst dann wird’s richtig was“, meint Thomas. Manche der Käselaiber bekommen durch die lange Reifung eine Rinde, deren Oberfläche sie wie alte Mühlsteine aussehen lässt. Aber schneidet man sie an, offenbart sich das goldgelbe Herz.

Gelagert werden die Käseräder, die übrigens bis zu 100 kg auf die Waage bringen, ausschließlich auf Fichtenholz. Andere Hölzer hätten zu viel Säure und würden den Käse verderben. Auch die „Schwarze Mamba“, eine der Spezialitäten von Jamei, wird mit Fichtenholz behandelt – aber mit der Asche des Nadelbaums. Der Aschemantel um die schwarz-grauen Laiber nimmt die Molke auf, die während der Reife aus dem Käse austritt. Denn bei der „Schwarzen Mamba“ handelt es sich um einen Vollfett-Käse, das heißt die darin verarbeitete Morgenmilch der Kühe wird nicht entrahmt. Erst die zusätzliche Aschebehandlung und die lange Lagerung bei niedrigen Temperaturen macht es möglich, daraus einen schmackhaften Hartkäse zu machen.

„Du schmierst einen Käse jahrelang, dann liegt er in Hamburg am Marktstand vor dir und du hast den Spaten in der Hand.“

Nicht nur für die Mamba, sondern auch für alle anderen Käse von Jamei gilt: Durch die lange Reifezeit der Käseräder und die viele Arbeit, die in die Pflege fließt, entsteht auch ein ganz anderes Verhältnis zwischen Affineur und seinem Produkt. „Du schmierst einen Käse jahrelang, dann liegt er in Hamburg am Marktstand vor dir und du hast den Spaten in der Hand. Den schneidest du nicht einfach an. Du denkst dir: ‚Hey, wir kennen uns doch!'“, erzählt Thomas.

Die Lagerung ist wichtig, der Rohstoff noch viel wichtiger

„Wenn du’s dir leisten kannst, dann zahl bar, wenn nicht, dann lass die Finger davon!“

Dass Thomas und sein Team nicht jeden beliebigen Käse in ihren Keller legen, ist mir zu diesem Zeitpunkt schon klar. Der Aufwand, der betrieben wird, um die besten Rohkäse zur Veredlung zu finden, überrascht mich dann aber doch. Derzeit liegen Käse von ca. 15 verschiedenen Sennern aus dem Alpengebiet, vor allem aus der Schweiz, in den beiden Kellerräumen. Die Senner werden jedes Jahr mindestens zweimal mit dem Mountainbike vor Ort besucht, denn Thomas möchte gerne langfristig mit seinen Zulieferern arbeiten und mit ihnen gemeinsam besser werden. Auch deswegen zahlt er ihnen gerne rund 30% mehr als den üblichen Marktpreis. Und das – in bester Kaufmannsmanier – auch immer sofort. „Mein Opa hat früher gesagt: Wenn du’s dir leisten kannst, dann zahl bar, wenn nicht, dann lass die Finger davon!“, erinnert sich Thomas.

Zusätzlich zu den regelmäßigen Besuchen bei „seinen“ Sennern machen Martin und Thomas sich auch regelmäßig mit dem Mountainbike auf den Weg, um neue Senner kennenzulernen. Dabei hangeln sie sich von Empfehlung zu Empfehlung, quer durch das gesamte Alpengebiet. Das führt bisweilen auch mal dazu, dass die beiden am Ende ganz woanders ankommen als geplant. So sollte eine Reise zum Beispiel Richtung Chamonix in den französischen Alpen gehen. Durch Empfehlungen immer weiter von der Route abgetrieben, beendeten sie ihre Tour letztendlich in Italien, im rund 500 km von Chamonix entfernten Triest.

Bei der Auswahl neuer Käse legen die beiden strenge Kriterien an. So muss der Senner für seine Laibe mit selbstgezogener Sirtenkultur und echtem Kalbslab arbeiten. Außerdem müssen die Kühe behörnt sein und möglichst einer Rasse angehören, die zwar weniger, aber fetthaltigere Milch produziert. Bei der Sache mit den Hörnern steht nicht einmal die artgerechte Haltung der Tiere im Vordergrund, vielmehr unterscheidet sich das Reife- und Kristallisationsverhalten des Käses letztendlich dadurch, ob den Tieren ihre Hörner gelassen werden oder nicht. Nur bei Milch von behörnten Kühen ist der Mineralstoffgehalt perfekt für diese Art der Verarbeitung. Und neben diesen Kriterien muss natürlich auch der Geschmack stimmen.

Da kann es schon mal etwas dauern, bis der perfekte Käse gefunden ist. So war das auch beim Emmentaler, den Thomas anbietet. Fast drei Jahre hat er danach gesucht, 18 Senner angeradelt und mit der Lagerung experimentiert. Erst dann konnte er sich final für einen Senner aus der Nähe von Bern entscheiden, mit dem er bis heute zusammenarbeitet.

Vom Allgäu in den hohen Norden

Was mich während meines Besuchs in Kempten natürlich auch noch brennend interessiert: Wie kommt ein Käse-Veredler aus dem Allgäu dazu, seine Produkte auf Hamburger Wochenmärkten feil zu bieten? Als ich Thomas darauf anspreche, muss er erstmal lachen. Wie so oft kam die Verbindung zu Hamburg durch einen Zufall zustande, von dem er mir sogleich erzählt.

Zwischen seiner Zeit als Langläufer und Käseprofi arbeitete Thomas unter anderem auch als Bergführer in Zermatt. Eines Tages führte er dort eine Gruppe Hamburger Sportler in einer Tour über Viertausender-Gipfel und hatte laut eigener Aussage eine „Mords-Gaudi“ mit der Gruppe. Also verabredete man sich zum Gegenbesuch in Hamburg, der einige Monate später stattfinden sollte. Als Gastgeschenk klemmte Thomas sich zwei Käseräder unter die Arme und trampte vom Allgäu nach Hamburg – wo sich letztendlich dann herausstellen sollte, dass die Bergsteiger-Gruppe vegan lebte und sein Geschenk leider verschmähen musste. Da der Käse natürlich nicht schlecht werden sollte, verkaufte Thomas ihn kurzerhand auf dem Markt.

In dieser Zeit hat er die Hamburger Kundschaft kennen und schätzen gelernt. Und diese ihn. Dieses Verhältnis ist inzwischen soweit gereift, dass es tatkräftige Unterstützer im Norden gibt. Der Chef eines großen Theaters fand den Käse von Jamei zum Beispiel so toll, dass er einen Stellplatz für den Marktstand organisiert hat und auch bei der Suche nach einer kleinen Wohnung behilflich war. Als Wahl-Hamburger kann ich nur sagen: Toll, dass solche schicksalhaften Fügungen dazu führen, dass wir hier den wohl besten Käse Deutschlands alle zwei Wochen frisch geliefert bekommen.

Bei allem Erfolg: Bescheidenheit ist Trumpf

Was während meines Gesprächs mit Thomas aber auch immer wieder durchscheint: Dieser Mensch ist nicht nur davon besessen, den besten Käse zu machen. Er verfolgt seine Leidenschaft gleichzeitig mit Bedacht, Bescheidenheit und Demut. Das äußert sich in vielen Facetten, zum Beispiel auch im Sortiment. So hat er lieber eine kleine Käseauswahl, diese dafür aber in entsprechender Qualität. „Man muss den Leuten ja nicht auch noch bei der Käseauswahl Stress machen, den machen sie sich selbst schon genug“, scherzt er.

„Ich kann mir alles leisten was ich brauch und was ich will. Und muss dafür nicht jeden Tag im Laden stehen und kann auch mal in den Bergen unterwegs sein.“

Und wie bei seinem Käse-Sortiment strebt er auch in wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht nach der ultimativen Maximierung. „Andere wollen Milch steif bekommen und Geld verdienen. Die erste Frage, die ich von denen immer gestellt bekomme, ist: Was bleibt denn bei dir am Ende hängen? Dabei ist das gar nicht mein Ziel. Ich kann mir alles leisten was ich brauch und was ich will. Und muss dafür nicht jeden Tag im Laden stehen und kann auch mal in den Bergen unterwegs sein. Was brauch ich da mehr?“ Wahre Worte eines Menschen, der für seine Leidenschaft brennt und seine Profession wahrscheinlich für nichts in der Welt eintauschen würde.

Nach der Kellerführung trinken wir noch einen Kaffee und unterhalten uns ein bisschen, bevor es wieder zurück zum Laden am Hildegardplatz geht. Auch dort schieße ich noch ein paar Fotos und decke mich natürlich mit einem guten Kilo Käse verschiedenster Sorten ein. Beeindruckt von Thomas‘ Ausführungen, seiner Leidenschaft und seinem Verständnis von „Work-Life-Balance“ mache ich mich auf den Weg nach Hause. Ein Ausflug ins Allgäu, der sich mehr als gelohnt hat.

Den Käse von Jamei Laibspeis’ findet ihr in Hamburg alle zwei Wochen auf dem Markt am Turmweg (Donnerstag), auf dem Isemarkt (Freitag) und auf dem Wochenmarkt in Groß Flottbek (Samstag).

Zusätzlich verkaufen Thomas und Team noch auf Märkten in Freiburg und Murnau sowie natürlich im wunderschönen, puristischen Ladengeschäft am Kemptner Hildegardplatz.

Jamei Laibspeis’
Hildegardplatz 3
87435 Kempten

Alle Öffnungszeiten und Markt-Termine gibt es immer aktuell auf der Website von Jamei:

http://www.jamei-laibspeis.de/

Kategorie Menschen

Moin, Peter mein Name. 32 Jahre alt, Wahlhamburger mit süddeutschen Wurzeln und der Kopf hinter Kost. Ich poste mein Essen schamlos auf Instagram und wenn du mich loswerden willst, kannst du mich gerne auf jedem x-beliebigen Wochenmarkt aussetzen. Dann bin ich erstmal ein paar Stunden beschäftigt...

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