Sonntag Vormittag, Hamburg Osdorf. Direkt in der Nähe eines großen Einkaufszentrum, zwischen Klinkerbauten und viel Grün erspähe ich Muri. Muri, der eigentlich Mathias heißt, ist ein ehemaliger Arbeitskollege, der sich in seiner Freizeit seit einigen Jahren um ein paar Bienenvölker im Hamburger Stadtgebiet kümmert. Ich habe ihn an besagtem Sonntag zu seinem wöchentlichen Kontrollgang begleitet und ihm ein paar Fragen zu seinem Hobby gestellt.

Nach meiner Ankunft mustert Muri mich erstmal kritisch – das schwarze T-Shirt, das ich trage, wird den Bienen wahrscheinlich nicht gefallen, meint er. Warum? Instinkte. Dunkle Kleidung wirkt auf die Bienen, als würde ein Bär vor ihnen stehen und ihnen den kostbaren Honig klauen wollen. Schon was gelernt. Aber sein Volk sei eigentlich ziemlich friedlich, meint Muri. Also Schutznetz auf den Kopf, Smoker anzünden und los.

Wir befinden uns im Garten eines Mehrfamilienhauses. In einer Ecke, ein bisschen versteckt zwischen Sträuchern und Bäumen stehen zwei unscheinbare Kästen auf einer Euro-Palette. Aber in jeder dieser unscheinbaren Boxen befinden sich rund 8.000–10.000 Bienen. Es ist also wirklich nicht übertrieben, wenn man von „Völkern“ spricht, auch wenn es sich hier nur um Ableger handelt, die jetzt zu ausgewachsenen Völkern herangezogen werden. Muri beginnt damit, die Bienen mit dem Smoker etwas einzuräuchern. Das soll einen Waldbrand simulieren. Denn die natürliche Reaktion der Bienen ist daraufhin, sich ruhig zu verhalten und ihre kleinen Vorratsmägen zu füllen. Scheinen wirklich sehr entspannte Tiere zu sein, diese Bienen – es brennt, und sie denken erstmals an Essen. Im Laufe der nächsten 1,5 Stunden werde ich noch so einiges über Bienen erfahren, denn Muri weiß viel und spricht gerne darüber.

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Wie wird man Imker?

Aber fangen wir von Vorne an. Was mich natürlich brennend interessiert: Wie kommt man auf die Idee, sich Bienenvölker anzuschaffen und in die Hobbyimkerei einzusteigen? Bei Muri war es eine Eingebung. Eines Tages im Jahr 2010 fiel ihm auf, dass er seit längerem keine Bienen mehr gesehen hat und fand das etwas merkwürdig. Er begann sich zu informieren und war erschüttert – überall war vom Bienensterben zu lesen und Imker klagten über Nachwuchsprobleme. Muri wollte es genauer wissen und bestellte sich ein Buch zum Thema und wurde so immer tiefer in den Kaninchenbau – Pardon, Bienenstock – hineingezogen. Letztendlich ging er zum Imkereiverein Altona e.V., in welchem er bis heute Mitglied ist und sich engagiert. Dort gibt es die Möglichkeit, Anfängerkurse in der Imkerei zu belegen. Damals war das noch kein Problem, inzwischen ist das Halten von Bienen so im Trend, dass diese Kurse eigentlich immer ausgebucht sind und man mit Wartelisten rechnen muss.

„Ich dachte mir: Hey, schon lang keine Bienen mehr gesehen“

Der Lehrgang an sich dauerte dann rund eine Saison und war vor allem von viel Theorie geprägt. Natürlich wird auch direkt mit den Völkern der Kursleiter gearbeitet und gelernt, aber wie es bei einem ordentlichen deutschen Lehrgang so ist, raucht danach der Kopf. Bei Muri führte das dazu, dass er sich nach dem Kurs erstmal „in’s kalte Wasser gestoßen“ fühlte. Aber mit den ersten Wochen mit eigenem Ableger eines Volkes wurden die Handgriffe schnell routinierter – also Learning by Doing – und die Imkerkollegen stehen auch nach Kursende gerne mit Rat und Tat zur Seite und helfen zum Beispiel beim der Standortsuche für die eigenen Völker.

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„100 Völker müsste man bewirtschaften, um davon Leben zu können“

Leider ist es bei der Imkerei so, dass man nicht nur Herzblut und Zeit, sondern auch etwas Geld investieren muss, wenn man ernsthaft damit beginnen möchte. Bei Muri beliefen sich die anfänglichen Investition auf rund 1.000€ – davon übernahm er einige Bienenkästen, kaufte sich Ausrüstung und Literatur. Und auch in den folgenden drei Jahren musste er jeweils etwa den selben Betrag investieren. In guten Jahren trägt sich das Hobby durch den Honigverkauf im Freundes- und Kollegenkreis inzwischen selbst – zumindest, wenn man die Arbeitsstunden nicht mit einrechnet und der Milbenbefall oder andere Krankheiten den Bienen nicht zu sehr zusetzen. In der Hochphase im Mai und Juni muss wöchentlich die Schwarmstimmung der Bienen kontrolliert werden und die Ernte steht dann auch vor der Tür bevor die Bienen das Schwärmen beginnen. Dann müssen mindestens 3–4 Stunden die Woche für die Bienen investiert werden. Sollte man vorhaben, von diesem Hobby zu leben, dann muss man direkt in anderen Maßstäben denken. „Rund hundert Völker müsste man wohl pflegen und bewirtschaften, um davon zu leben – das ist dann fast schon industriell“ meint Muri.

Zurück in den Garten

Muri hat inzwischen die Abdeckung des oberen Teils geöffnet und zieht die ersten Rahmen heraus und kontrolliert den Zustand der Waben. Der obere Teil des Kastens dient den Bienen sozusagen als „Speisekammer“ zur Einlagerung von Honig, das eigentliche Volk wohnt eine Etage tiefer. Muri drückt mir einen Rahmen in die Hand und ich schaue mir die Waben genauer an. Wirklich beeindruckend, was diese kleinen Tiere da in sechseckiger Perfektion zusammenbasteln. Aus einem solchen Rahmen gewinnt er rund 2 kg Honig. Und ich kann bestätigen: Honig, Wachs und ein paar hundert emsig herumkrabbelnde Bienen haben durchaus ein stattliches Gewicht.

#honigfacts

  • Angeblich hilft Honig aus der eigenen Region bei Heuschnupfen, da darin enthaltene Restpollen den Körper an eben diese „gewöhnen“
  • Honig wirkt durch die enthaltene Glucose-Oxidase antiseptisch und beschleunigt die Wundheilung
  • Wenn der Honig unter 18% Wasser enthält, wird er eigentlich nie schlecht
  • Honig sollte nicht in den heißen Tee gegeben werden. Das tötet die enthaltenen Enzyme. Also lieber in abgekühlten Tee einrühren oder einfach pur löffeln.
  • Ab 60% Anteil darf von einem Sortenhonig, also z.B. Akazienhonig oder Lavendelhonig gesprochen werden.
  • „Waldhonig“ stammt nicht von den Blüten der Bäume und Sträucher, sondern wird von den Bienen aus Honigtau, einem Sekret verschiedener Läusearten im Wald hergestellt. Yummy!
  • Eine normale Arbeiterbiene erreicht im Sommer ein Alter von ca. 6 Wochen und produziert währenddessen rund 2 Teelöffel Honig – danach ist sie “abgearbeitet” und stirbt. Über den Winter lebt eine Biene mehrere Monate.

Muri beginnt, die Rahmen aus den Ableger-Völkern mit etwas Milchsäure einzusprühen. Das hat zwar zufolge, dass in dieser Saison kein Honig geerntet werden kann und muss gemacht werden, bevor die Bienen anfangen, Eier zu legen, hilft aber gegen allzu starken Milbenbefall. Eben diese Milben stellen ein großes Problem für die Imker dar, Muri hat im letzten Winter drei Völker an die Milben verloren. Durch zu warme Winter mit kaum Frost können sich die kleinen Plagegeister ungestört vermehren und den Bienen zusetzen. Neben dem Milbenbefall und Pestiziden kann aber auch die amerikanische Faulbrut ausbrechen, die ganze Bienenvölker dahinrafft. Dies ist hierzulande zwar glücklicherweise nicht die häufigste Todesursache von Bienen,  aber sie ist so aggressiv, dass eine Erkrankung der eigenen Bienen beim Veterinär angezeigt werden muss und alle Materialien und Werkzeuge mindestens desinfiziert oder sogar vernichtet werden müssen – denn die Sporen der Faulbrut sind äußerst resistent.

Muri ist davon bisher glücklicherweise verschont geblieben. Und hofft, das auch in Zukunft zu bleiben. Wir behandeln die restlichen Rahmen mit Milchsäure und sehen dabei auch noch die von vielen Arbeiterinnen umschwärmten Königinnen der beiden Völker. Beide machen einen fitten Eindruck und Muri beginnt, die Bienenstöcke zufrieden wieder zusammenzusetzen.

Insgesamt geht es mit den Bienen in Deutschland wieder aufwärts – auch wenn oft gegenteilige Berichte zu lesen sind. Das liegt nicht zuletzt am Einsatz der vielen Tausend Hobbyimker wie Muri, die sich in ihrer Freizeit um Maja, Willi & Co kümmern und uns nebenbei auch noch mit leckerem Honig versorgen. Danke dafür ♥

Nach Abschluss der Kontrolle lerne ich dann noch das Wichtigste: Wenn eine Biene auf dir landet, brauchst du keine Angst zu haben. Würde sie dich stechen wollen, hätte sie das sofort getan. „Wenn es kitzelt und die Biene über deine Hand krabbelt, ist alles gut“ lacht Muri und beobachtet die eben gelandete Arbeiterin auf seinem Handrücken, bevor sie weiterfliegt.


Zwar vertreibt Muri seinen Honig größtenteils unter Freunden & Kollegen, aber sollte es überschüssige Vorräte geben, gibt er auf seiner Facebookseite oder seine Website laut. Und wer sich über Imkerei im Allgemeinen oder Vereine in seiner Umgebung informieren möchte, kann das z.B. auf der Website des Deutschen Imkerbundes tun.

Auch empfehlenswert: Der Dokumentarfilm „More than honey“, der ein umfassendes Bild von der Hobbyimkerei bis in den industriellen Maßstab zeichnet. Hier gibt’s den Trailer, den ganzen Film gibt es z.B. auf Netflix:

Kategorie Menschen

Moin, Peter mein Name. 32 Jahre alt, Wahlhamburger mit süddeutschen Wurzeln und der Kopf hinter Kost. Ich poste mein Essen schamlos auf Instagram und wenn du mich loswerden willst, kannst du mich gerne auf jedem x-beliebigen Wochenmarkt aussetzen. Dann bin ich erstmal ein paar Stunden beschäftigt...

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